Wer Gregory Porter noch nicht kennt, der sei gewarnt. Einmal hingehört zum warmen Timbre des bassbaritonen Jazzsängers und man ist gefangen wie damals die Bürger von Hameln.
Die biografischen Details erspare ich mir und den Lesern dieser Zeilen, das kann man zu jeder Zeit und mehr und mehr im Net nachlesen. So viel sei jedoch angemerkt: die Wurzeln schwarzer Gospelmusik, des Souls der 60er Jahre eines Marvin Gaye und die Melodien eines Nat King Cole verschmelzen zu einer neuen, eigenen Wahrheit.
Wahrheit – ein Begriff, der in Zusammenhang mit Gregory Porter oft auftaucht – hat in unserer Welt nicht gerade Konjunktur. Immer schwieriger ist es für uns „moderne“ Menschen, die vielen Einsprengsel unseres täglichen Lebens in wahr und falsch zu unterscheiden. Es beginnt schon beim Grundbedürfnis menschlicher Existenz – der Nahrungsaufnahme. Was wissen wir als Konsumenten schon davon, welches Nahrungsmittel wahrhaft natürlich ist und welches künstlich nachgebaut? In der Welt der künstlerischen Welterklärung wird provokant der Versuch unternommen, das Falsche zu entlarven mit dem Ziel, die Wahrheit oder besser gesagt die Wahrheiten in das Scheinwerferlicht unserer Welt zurückzuholen und abzufeiern.
Das klingt nach kopflastigem und sperrigem Kunstdiskurs. Musik hat es da in der Regel etwas leichter. Direkt und unvermittelt bespielt Musik das Trommelfell des Menschen. Musik und Musikrichtungen gibt es mittlerweile in so vielen Stilen und Ableitungen, in kleinen und größeren Enklaven entstehen immer differenziertere Richtungen, die sich über die neuen Medien schnell verbreiten und nicht mehr an lokale Gegenwart gebunden sind.
In diesem melodischen Wirbelwind nimmt sich Jazz eher aus wie ein ältlicher Kumpel ohne Breitbandanschluss. Da besteht die Gefahr der Stagnation, der Einkapselung, des Aufkochens von Altbewährtem. Gregory Porter setzt auf diese alte Jazztradition und ist dabei ganz im Gegenteil jung und frisch. Bei Gregory Porter überzeugt das Gesamtpaket. Er betritt die Bühne mit leichtem, federndem Schritt, mit der Statur und Behändigkeit eines Profiboxers, sein äußeres Erscheinungsbild vereint klassisches Design des amerikanischen Ausstatters The Privélege mit dem hippen Spleen eines schwarzen Kopfschlauches plus Kappe, der bisweilen zu Spekulationen Anlass gibt, häufiger aber zu Anfragen in den Kanälen von Facebook und Twitter führt, wo Gregory Porter dank seines umtriebigen Managers Paul Ewing aktiv vertreten ist.
Gregory Porters Lieder sind beides – melodiöse Schmeichler und rhythmisch-tonale Querdenker. Vielleicht ist es diese Verbindung von Ohrwurm und Stechmücke, die die Magie des Jazzsängers ausmacht. Die Lieder gehen sofort ins Ohr, aber sie versickern nicht belanglos im Gehörgang, sie setzen sich fest in den Gehirnregionen, die für Emotion und Intuition verantwortlich sind. Die Lieder sind einfach und komplex zugleich. Gregory Porter liebt die Melodie und liebt die Improvisation und trägt beides mit unglaublicher Präsenz und Authentizität vor. Er verzaubert sein Publikum – Männer wie Frauen. Gregory Porter ist keine Kunstfigur, auch wenn er das Business zu bedienen weiß. In seiner Stimme schafft er Platz für jeden, der ihm auf seiner Reise folgen will: durch die Straßen von Harlem, durch das Detroit von 1962, durch die Erinnerungen an seine Mutter oder auf den Wegen der beiden Liebenden, die endlich zueinander finden, da sie aufhören, zu suchen.
Be good ! Oder wie Gregory Porter selbst in einem Interview meinte: „Be humble and you’ll be exalted, be exalted and you’ll be debased.“
(c) mytextures 2012
Gregory Porter war mir bisher kein Begriff. Die Eindrücke dieses Konzerts sind so bildhaft beschrieben, dass ich Lust auf seine Musik bekomme. Danke für diesen Tipp!